Mein Körper, meine Baustellen und das stille Geheimnis:

Der Schwerbehindertenausweis

(Plopp! 🗯️) Wenn ich so in den Spiegel schaue, sehe ich nicht nur mein Gesicht oder meine Lieblings-T-Shirts. Ich sehe auch die Spuren eines Körpers, der beschlossen hat, das Leben nicht langweilig werden zu lassen. Hashimoto seit 25 Jahren, eine Fettstoffwechselstörung seit 12 Jahren, und seit Neuestem gesellt sich auch noch Typ-1-Diabetes dazu. Man könnte sagen, mein Immunsystem hat eine Abo-Karte für Autoimmunerkrankungen gelöst. Und weil das alles so schön „komplex“ ist, bin ich jetzt auch noch stolzer (und schamhaft verschwiegener) Besitzer eines Schwerbehindertenausweises.

Dieser kleine grüne Ausweis. Ein Stück Papier, das meine unsichtbaren Baustellen plötzlich offiziell macht. Er ist ein Abwägen, ein Für und Wider, ein ständiger innerer Dialog zwischen dem, was er mir gibt, und dem, was er mich manchmal kostet. Mein stilles Geheimnis.

Die unsichtbare Last wird sichtbar gemacht: Das „Für“

Dieser Ausweis ist nicht nur ein Stück Plastik, er ist eine Anerkennung. Eine offizielle Bestätigung, dass die täglichen Kämpfe, die ich mit meinem Körper führe, real sind. Dass mein Alltag mit der ständigen Überwachung von Blutzucker, Schilddrüsenwerten und Cholesterin mehr ist als nur „ein bisschen auf sich achten“.

  • Der praktische Nutzen: Ja, es gibt Vergünstigungen. Beim Nahverkehr, im Museum. Das ist nicht zu leugnen und nimmt ein kleines bisschen finanziellen Druck. Es ist eine Form der Wertschätzung für die zusätzlichen Hürden, die ich nehmen muss.
  • Der „Erleichterung“-Moment: Manchmal ist es einfach die mentale Entlastung, zu wissen, dass ich im Notfall (oder bei einem besonders schlechten Tag) ein paar Vorteile habe. Das gibt ein Gefühl von Sicherheit.
  • Der Beweis für mich selbst: Ich bin nicht „zu empfindlich“ oder „faul“. Die Krankheit ist real, die Einschränkungen sind real, auch wenn man sie nicht immer sieht. Das hilft, die innere Kritik abzuschwächen.

Die Schattenseiten des grünen Kärtchens: Das „Wider“ und mein Geheimnis

Aber dieser Ausweis hat auch eine Kehrseite, und die ist tief in meinen Gefühlen verankert.

  • Das Stigma: Obwohl Behinderung ein Teil der Vielfalt menschlichen Lebens ist, haftet ihr leider immer noch ein Stigma an. Die Angst, anders angesehen zu werden, abgestempelt zu werden. Werde ich jetzt als „krank“ oder „schwach“ wahrgenommen? Diese Frage schwirrt manchmal in meinem Kopf.
  • Der Moment der Offenbarung: Wann zeige ich ihn? WEM zeige ich ihn? Beim Bäcker, um den Behindertenrabatt zu bekommen? Eher nicht. Beim Konzert oder im Schwimmbad? Vielleicht. Im Job? Das ist die Königsdisziplin, eine echte Abwägung. Erzähle ich es potenziellen Arbeitgebern? Freunden? Die Angst vor Vorurteilen und Nachteilen ist real. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich ein großes Geheimnis mit mir herumtragen.
  • Die Definition: Definiert dieser Ausweis mich? Bin ich jetzt nur noch „die mit der Behinderung“? Ich kämpfe dagegen an. Ich bin immer noch ich – nur eben mit ein paar zusätzlichen (Autoimmun-)Challenges. Er ist ein Teil meiner Geschichte, aber nicht meine ganze Geschichte.

„Manchmal ist das Schwerste am Kampf, niemandem zu zeigen, dass du kämpfst.“ Dieser Ausweis ist eine sichtbare Erinnerung an einen unsichtbaren Kampf. Und manchmal will man einfach nicht, dass dieser Kampf für alle sichtbar wird.

Mein stilles Geheimnis und die Suche nach Balance

So ist er also, mein Schwerbehindertenausweis. Ein Dokument voller Widersprüche. Er ist ein Beweis für meine Erkrankungen und eine Hilfe im Alltag. Gleichzeitig ist er ein Symbol, das ich nicht immer offen zeigen möchte. Er ist mein stilles Geheimnis, das ich nur dann lüfte, wenn ich mich damit wohlfühle oder wenn es mir wirklich einen Vorteil bringt.

Ich lerne, die Balance zu finden: Die Vorteile zu nutzen, ohne mich von dem Ausweis definieren zu lassen. Ich bin nicht meine Krankheiten, und ich bin nicht mein Schwerbehindertenausweis. Ich bin ich – eine Kämpferin mit einem ziemlich engagierten Immunsystem und einem grünen Kärtchen in der Tasche, das die Welt vielleicht nicht versteht, aber ich mittlerweile ganz gut.


Und ihr?

Habt ihr Erfahrungen mit einem Schwerbehindertenausweis im Kontext eurer chronischen Erkrankung?

Wie geht ihr mit dem Thema um – offen, oder ist es für euch auch ein „stilles Geheimnis“? Teilt eure Gedanken dazu!


Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar